Ein KI-Gemälde gewinnt erneut einen Wettbewerb. Erinnern wir uns: 2022 erhielt „D’opéra Spatial“ von Jason Allen, erstellt mit Midjourney, den ersten Preis bei der Colorado State Fair Fine Arts Competition.
Nun ist es auch in Österreich passiert.
Am 23. Mai 2024 fand die alljährliche CCA-Gala (Creative Club Austria) statt. An diesem Abend wurden Österreichs beste Werbekampagnen des vergangenen Jahres ausgezeichnet.
Die Werbeagentur JVM dominierte die Veranstaltung. Mit 39 Auszeichnungen führt die Agentur erneut die Rangliste als“Creative Lead of the Year“ an – zum dritten Mal in Folge. Drei Gold-Veneres konnte JVM abstauben, eine davon für die Influenza-Kampagne des Gesundheitsministeriums in der Kategorie Illustration. [Standard Artikel]
Ich erinnere mich gut an diese Kampagne „St. Influenza“. Vor etwa acht Monaten sah ich sie an einer Bushaltestelle und fragte mich: „Hat das Spiel nun begonnen? Kann man Bilder von Midjourney jetzt einfach so verwenden? “
© BMSGPK
Ein mit KI generiertes Kampagnensujets für St. Influenza
Aber gehen wir erst einmal einen Schritt zurück. Welche Kampagne ist das denn genau?
2023 starteten Bund, Länder und Sozialversicherung erstmals eine gemeinsame Impfkampagne, für die 1 Million Euro budgetiert war. Ziel war es, die Bevölkerung für Grippeschutzimpfungen zu sensibilisieren. Die Kampagne nutzte ein breites Spektrum an Werbemitteln: Plakate, Social Media, Nachrichtenportale, Infoscreens, Bildschirme in Wartezimmern, Flyer, Info-Folder und Freecards.
Mehr zum Thema Impfen finden Sie hier: impfen.gv.at
Ich kann mir vorstellen, dass die Verantwortlichen großen Wert auf eine hohe Reichweite legten, um möglichst viele Menschen mit diesem wichtigen Thema zu erreichen. Daher verstehe ich, dass aus finanziellen Gründen das Budget besser in Kommunikationsträger investiert wurde und in solchen Fällen auf Stockmaterial und Midjourney zurückgegriffen wird, anstatt den Fokus auf handwerkliche Gestaltung zu legen.
Die Agentur hatte möglicherweise nur begrenzt Zeit, um die sechs Kampagnensujets zu entwickeln. Image-Generatoren bieten hier eine schnelle und rund um die Uhr verfügbare Lösung.
Und wieso sehe ich, dass das Sujet mit Midjourney gemacht wurde?
Wenn man täglich mehrere Stunden auf Midjourney verbringt, entwickelt man ein Gespür dafür. So ging es mir zumindest. Als ich am Abend nach Hause kam, wollte ich es überprüfen. Innerhalb von 1,5 Stunden baute ich eines der Kampagnensujets mit Midjourney und Photoshop generative Fill nach. Natürlich sah es nicht genauso aus, aber man stelle sich vor, was in 5 Stunden möglich gewesen wäre.
Hier ist ein 🎥 Video zum Prozess.
Die Prompts lauteten unter anderem: retro-futuristic, realistic landscape paintings, Swiss style, mid-century illustration, retro holiday poster.
Diese Prompts haben mir geholfen, den Stil in Midjourney zu kreieren.
Aber jetzt kommt die große Frage: Wurde es bei der Einreichung verschwiegen?
Nein. Es wurde angegeben, dass das Bild unter anderem mit Midjourney erstellt wurde.
Und: Die Einreichung entsprach den offiziellen Richtlinien des CCA, die erlauben, ein mit KI-generiertes Bild in der Kategorie Illustration einzureichen.
Vergleichsbild: Original von JVM links und mein Nachbau innerhalb von 1,5 Stunden rechts.
Der CCA und seine KI Richtlinien
Der CCA ist DER führende Werbewettbewerb in Österreich und wurde 1972 gegründet. Sein Ziel: das Beste der österreichischen Kreativwirtschaft zu repräsentieren und zu präsentieren. Jedes Jahr zeichnen Expert:innen im Rahmen des CCA-Venus-Awards Arbeiten aus, die in ihren Disziplinen beispielgebend sind und neue Standards setzen.
Im Jahr 2023 fiel auf, dass Künstliche Intelligenz (KI) in den Teilnahmebedingungen 2023 noch keine Erwähnung fand. Ab 2024 können jedoch KI-erstellte Bilder offiziell in den Kategorien „Illustration“ und „Fotoillustration“ eingereicht werden. Das zeigt, dass der Wettbewerb mit der Zeit geht.
Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen 2024.
Auszug aus den Teilnahmebedingungen des CCA für 2024 – die Einreichung von künstlichem Bildmaterial ist in den Kategorien Illustration und Fotoillustration gestattet.
KI hat sehr schnell Einzug in unseren Alltag erhalten. Und da die Regeln nicht von Anfang an perfekt sein können, müssen sie immer wieder nachjustiert werden.
Dieses Beispiel zeigt einfach, wie schnell sich die Bedingungen innerhalb eines Jahres ändern können, sodass nicht nur das Recht der Technik hinterherhinkt, sondern auch Wettbewerbsrichtlinien.
Fehleranfälligkeit bei KI-Bildern
Der CCA legt großen Wert auf exzellente Umsetzung. Doch ist das mit Tools wie Midjourney möglich? Diese Programme machen noch kleine Fehler, die selbst ein geschultes Auge leicht übersehen kann.
Hier sind zwei Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, KI-generiertes Bildmaterial genau zu untersuchen:
- Der Grafiktablet-Hersteller Wacom geriet in die Kritik, weil er mit KI generierte Bilder in einer Werbekampagne für das Jahr des Drachen im Januar verwendet hatte. Als dies auffiel, war die kreative Community empört. Wacom hatte eine Illustration eines Drachen von Adobe Stock gekauft, die nicht als KI-generiert gekennzeichnet war. Auffällig waren fehlerhafte Details an Schwanz, Hörnern und Zähnen. [The Verge]
- Ein weiteres Beispiel betrifft die Promotion der zweiten Staffel von „Loki“. Der Hintergrund des Posters wurde aufgrund von „meaningless squiggles“ – Artefakte, die manchmal von KI-Bilderzeugern hinterlassen werden – erkannt. Es enthält keine eingebetteten Metadaten, die bestätigen könnten, wie das Bild entstanden ist. Disney bestreitet, dass das Bild mit KI erstellt wurde, aber die Community ist anderer Meinung. [The Verge]
Je detaillierter ein KI-generiertes Bild ist, desto fehleranfälliger ist es. Man muss genau hinschauen. Auch die Kampagnensujets von St. Influenza habe ich mir angesehen und einige Fehler entdeckt bzw. kann ich nachvollziehen, wo retuschiert wurde.
In diesem Bild wurde das Fieberthermometer hineinretuschiert, ohne dass die rote Weste ihre Farbe darauf reflektiert. Die Hände dahinter sind zu stark gerötet, und das Ohr wurde farblich verändert. Einem Skifahrer fehlt ein Stock, und bei den Kanten wurde beim Nachbessern nicht auf die Schatten geachtet.
Die Schlaufen der Wanderstöcke ergeben keinen Sinn. Die Wärmflasche wurde vermutlich aus einem anderen Bild verwendet, der Übergang zwischen dem Arm und der Wärmflasche ist zu hart. Der Gürtel ist eine typische Fehlerquelle für Midjourney und ergibt hier keinen Sinn. Die Arme wirken zu lang, und bei den Gräsern merkt man, dass hier zwei MidJourney-Bilder in Photoshop miteinander kombiniert wurden. Die ‚Schatten‘ der Pflanzen sind in Wirklichkeit die Schatten der Berge, und bei einem Blatt fehlen sie.
Die Jacke wirft sehr unregelmäßige Falten. Es wirkt, als ob der rechte Arm des Mannes mithilfe von Photoshop neu platziert wurde. Auch seine linke Hand wirkt sehr unnatürlich. Die rechte Hand der Ärztin ist zu hell, und das Stethoskop wirkt wie aus einem anderen Bild herausgeschnitten.
In diesem Bild gibt es ebenfalls mehrere Auffälligkeiten: Dem Kind beim Schneemann fehlt ein Schuh. Die Wolkenkratzer und die Stadt im Hintergrund passen nicht in die Gebirgslandschaft. Seine linke Hand und die Tasse sehen unnatürlich aus und stammen vermutlich aus einem anderen Bild. Zuletzt sind die Kanten zwischen der Weste und der Schneelandschaft zu glatt.
In diesem Bild gibt es mehrere Auffälligkeiten: Beim Kind wird der kleine Finger nicht einmal angedeutet. Das Gewand des Kindes ist beim Kinn zu glatt abgeschnitten. Die Hand der Frau wurde ausgeschnitten, neu platziert und der Übergang mit Pinselstrichen kaschiert. Es wurden mehrere Bilder miteinander kombiniert, was man besonders am Übergang zwischen der Weste und dem Schnee deutlich sieht.
Diskussion über menschen Anteil
Durch die Bearbeitung kann man natürlich sagen, dass das Bild nicht 1:1 von Midjourney übernommen wurde und in der Einreichung steht auch, dass nur “u.a. mit Midjourny gearbeitet wurde.” Jason Allen betont bei seinem Kunstwerk „Théâtre D’opéra Spatial“ ebenfalls, dass sein eigener Input entscheidend dafür war, wie das generierte Werk letztlich aussieht. Und im ersten Moment versteht man auch den Gedankengang, denn “ohne mich wäre das Bild doch gar nicht da”.
Man darf sich aber nicht so einfach verleiten lassen, denn:
“Die Algorithmen von KI-Systemen simulieren nur das menschliche geistige Schaffen auf Basis statistischer Modelle und werden nicht wie Menschen selbst kreativ tätig. [...] Der bloße Ideengeber oder derjenige, der abstrakte Leitlinien vorgibt, hat kein Urheberrecht an dem darauf basierenden Werk.”
Zitat von Roman Heidinger aus diesem Standard-Artikel
In diesem Zusammenhang habe ich auch die österreichische Urheberrechtsgesellschaft Bildrecht kontaktiert, weil ich wissen wollte, ob ich KI-generiertes Bildmaterial für die Tantiemenberechnung 2024 einreichen kann. Die Antwort war ein Nein. Schade, aber nachvollziehbar.
Im Gespräch kamen wir dann auf das Thema Bildbearbeitung. Kurz gesagt: Wenn jemand ein Bild retuschiert, bleibt der/ die ursprüngliche KünstlerIn der bzw. die UrheberIn. Bildretusche allein verleiht dem/der BearbeiterIn keinen Werkcharakter.
Wer ist dann aber UrheberIn von KI-generiertem Bildmaterial?
Laut diesem Standard Artikel sind KI-generierte Bilder in Österreich grundsätzlich nicht urheberrechtlich geschützt. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa wenn der menschliche Input überwiegt.
Aber wie lässt sich das nachweisen, z.B. auch für einen Kreativwettbewerb? Mit Prozentangaben? Mit Arbeitszeit? Oder einer Prozessdokumentation? Das klingt nach einem erheblichen Aufwand für den Einreichungsprozess.
Graubereiche bei der Kollaboration mit KI-Tools
Die Frage nach dem Anteil von Mensch und Maschine bei kreativen Prozessen bleibt oft ungeklärt. Besonders deutlich wird dies, wenn man digitale Tools einsetzt. In meiner eigenen Arbeit verschwimmen die Grenzen ständig, und ich könnte nicht genau sagen, wie groß mein eigener Beitrag ist.
Stellen Sie sich vor, Sie erstellen eine Collage, bei der einige Bilder von Midjourney stammen. Müssen Sie dann die Bilder zählen und ihr Verhältnis zur Gesamtfläche berechnen? Oder was passiert, wenn Sie selbst zeichnen und ein Tool nur zur Übersetzung verwenden?
Hier ist ein 🎥 Beispiel Video für Sketch to Image.
Die Unsicherheit wächst weiter: Was ist, wenn Sie die Funktion Image2Image nutzen? Oder wenn die Datenbank auf Ihren eigenen Illustrationen basiert? Und wie verhält es sich, wenn Sie Struktur- oder Stilreferenzen bei Adobe Firefly verwenden?
Diese Fragen zeigen, wie komplex und vielschichtig die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine in der kreativen Arbeit sein kann. Sie verdeutlichen auch, dass klare Antworten oft schwer zu finden sind.
Midjourney in der österreichischen Werbung
Jung von Matt sind nicht die ersten und nicht die einzigen, die in ihren Kampagnen auf KI-generiertes Bildmaterial setzen. Und sie werden auch nicht die letzten sein.
Ich habe bereits Werbung mit Midjourney von folgenden Unternehmen bzw. Organisationen gesehen: Volkshochschule, Volksoper, Erste Bank, Schärdinger, A1, SOS Kinderdorf, Pawesome, Niemetz, Boxing Sisters, Latella, Uniqua, Vergiss mein nicht, Silhouette und Universität Wien.
Ich sammle diese Beispiele und gruppiere sie als Storyhighlight auf meinem Instagram-Kanal.
Mögliche Lösungsansätze
Für mich, die diese Tools kennt, ist das eine spannende Entwicklung, die mir viel Freude bereitet. Ich liebe meinen Job. Es ist großartig, dass Text-to-Image-Modelle mittlerweile ein fester Bestandteil der Kreativbranche und somit auch der Werbung sind.
Dennoch würde ich den Output von Midjourney und Co. nicht als Illustration bezeichnen, sondern als das, was es ist: mit Hilfe von KI generiert. Gerade als ehemalige Illustratorin, die sich nun auf generiertes Bildmaterial spezialisiert hat, finde ich es sehr wichtig, diese Bereiche klar zu trennen.
Jason Allen blickt in die Zukunft und sieht eine neue Ära für KI-Kunst. Er erwartet, dass bei zukünftigen Wettbewerben eine eigene Kategorie für KI-Kunst geschaffen wird. Tatsächlich hat der ADC für 2024 bereits eine solche Kategorie eingeführt.
Beim ADC können Arbeiten, die mit Hilfe von KI erstellt worden sind, in den Kategorien ‚Digital Experience‘, ‚AI/Machine Learning‘ und ‚Digital Skills‘ einreicht werden.
Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Einreichung von Content Credentials bei Wettbewerben. Dieses Tool funktioniert derzeit jedoch nur mit Adobe-generierten Inhalten. Falls die Informationen nicht in der Datei hinterlegt werden können, müssen sie auf jeden Fall gekennzeichnet sein, ähnlich wie bei Shutterstock und Adobe Stock.
In diesem Video wird das Thema Content Credentials von Adobe sehr gut erklärt.
Es gibt nicht aber nicht nur am Ende wichtige Kennzeichnungen für KI-Bilder, sondern auch während des gesamten Erstellungsprozesses müssen Richtlinien beachtet werden, wie beispielsweise die Adobe Firefly Guidelines. Diese Richtlinien sind entscheidend, wenn man KI-Bildmaterial bei Adobe Stock einreichen möchte.
- Keine Verwendung von Künstlernamen, deren Werke noch urheberrechtlich geschützt sind.
- Keine Verwendung von Personennamen.
- Keine Darstellung tatsächlicher, aktueller Ereignisse.
- Keine Nennung von Regierungsbehörden.
- Keine Verweise auf geistiges Eigentum Dritter.
Diese Regeln sollen sicherstellen, dass KI-generierte Inhalte klar und transparent gekennzeichnet sind und keine rechtlichen Probleme verursachen.
Conclusio
Falls Sie sich gefragt haben, wann KI-generiertes Bildmaterial in der österreichischen Werbung Einzug nimmt – die Antwort lautet: Jetzt.
Viele Kreative – inklusive mir – sehen KI nicht als Bedrohung, sondern als kollaboratives Werkzeug. Sie unterstützt den kreativen Prozess und eröffnet neue Möglichkeiten.
Doch es gibt auch Bedenken. Einige IllustratorInnen fürchten, dass das handwerkliche Können verloren geht und nicht mehr wertgeschätzt wird.
Werbeagenturen stehen vor der Herausforderung, mit begrenztem Budget und knappen Zeitplänen kreativ zu arbeiten. Ihre KundInnen erwarten ja auch durch KI entweder mehr und schnelleren Output oder einen geringeren Preis.
Fest steht aber, dass der Creativ Club Austria (CCA) sich durch diese Auszeichnung offen gegenüber KI-generiertem Bildmaterial zeigt. Das gibt mir Hoffnung, dass auch ich eines Tages wieder etwas bei Kreativ-Wettbewerben einreichen (und sogar gewinnen!) kann.
Wozu dieser Artikel?
Ich möchte darauf hinweisen, dass die aktuelle Verwendung von KI-Bildgeneratoren wie Midjourney in kreativen Wettbewerben eine unterschiedliche Wahrnehmung und Bewertung im Vergleich zur traditionellen Handwerkskunst der Illustration oder Fotografie erzeugt.
Während mit Photoshop bearbeitete Bilder meist nicht gekennzeichnet werden müssen, könnte der Einsatz von KI-Bildgeneratoren künftig auch alltäglich werden. Wie wir damit umgehen werden, ist allerdings noch unklar. Klar ist allerdings, dass ich die Entwicklung weiter verfolgen und darüber berichten werde.
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