Vor rund zweieinhalb Jahren hat ChatGPT die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Inzwischen beginnen auch Agenturen, diese Entwicklung in ihren Stellenprofilen abzubilden – zum Beispiel mit neuen Rollen wie der des*der Creative PrompterIn.
Die Wiener Agentur dmb. sucht aktuell genau das: eine kreative Person, die sich mit genAI-Tools auskennt und gleichzeitig klassische gestalterische Kompetenzen mitbringt.
Ich habe mir diese Stellenausschreibung näher angesehen – nicht um sie zu kritisieren, sondern um aufzuzeigen, worauf es bei solchen Jobprofilen künftig ankommen sollte.
Pflichtschulungen durch den AI Act?
Ein kurzer Exkurs vorab: Ab dem 2. Februar 2025 verpflichtet der EU AI Act (Artikel 4 Abs. 1 lit. f der Verordnung (EU) 2024/1689) Unternehmen dazu, Mitarbeitende nachweislich über eingesetzte KI-Systeme zu schulen – allerdings nur, wenn es sich um sogenannte Hochrisiko-KI handelt.
Dazu zählen etwa Systeme für Personalentscheidungen, Scoring oder kritische Infrastrukturen wie Medizin oder Justiz. Wer intern mit ChatGPT brainstormt oder Midjourney für Moodbilder nutzt, fällt in der Regel nicht unter diese Regelung.
Trotzdem ist die Botschaft klar: KI ist kein Spielzeug mehr, sondern Teil unseres Arbeitsalltags. Und KundInnen erwarten zu Recht, dass Agenturen über fundiertes Know-how verfügen. Wer intern niemanden hat, der sich dieses Wissen erarbeitet hat, muss es extern dazuholen – etwa in Form einer Creative PrompterIn. Nicht, weil der AI Act es verlangt, sondern weil Professionalität im Umgang mit neuen Technologien ein Qualitätsmerkmal ist.
Jobtitel: Creative Prompter für AI & Editing
Der Begriff Prompt Engineer hat sich mittlerweile etabliert, auch wenn ich persönlich wenig damit anfangen kann – vor allem, weil er in meiner Vorstellung nicht zum klassischen Berufsbild eines Ingenieurs passt (vgl. Wikipedia). „Creative Prompter“ soll vermutlich die Verankerung in der Kreativ- und Werbebranche betonen. Mir ist der Begriff bisher in dieser Form noch nicht begegnet.
Was mir beim Lesen der Anzeige auffällt: Es fehlt eine klare Abgrenzung zu bestehenden Rollen. Der Umgang mit genAI Tools wie Midjourney ist zweifellos ein Handwerk – Prompting erfordert nicht nur technisches Verständnis, sondern auch Erfahrung und gestalterisches Denken. Aber: Prompting allein ergibt noch keine vollständige Rolle. Es ist (meiner Meinung nach) ein Baustein kreativer Arbeit, kein eigenständiger Beruf.
Etwas unklar bleibt für mich auch der Zusatz „& Editing“. Geht es hier um klassische Bildbearbeitung? Um Reinzeichnung? Oder um das finale Aufbereiten von KI-generiertem Material – vielleicht als Ersatz für Stockbilder oder Fotoshootings?
Die Anzeige nennt „Text, Bild, Video“ – also alles. Das kann entweder für ein breites Aufgabenfeld stehen oder dafür, dass man sich als ArbeitgeberIn (verständlicherweise) noch nicht ganz festlegen möchte.
Begriffe wie „intelligente Prompts“, „kreative Exzellenz“ oder „Text, Bild, Video“ klingen stark und vermitteln ein gutes Gefühl – vielleicht ist genau das auch beabsichtigt. Es kann durchaus sinnvoll sein, über Sprache eine emotionale Verbindung zur Rolle aufzubauen. Ob das in diesem Fall gelungen ist, wäre sicher spannend mit jemandem aus dem Employer Branding zu diskutieren – z. B. mit Michaela Bach.
Für mich persönlich als Lesende bleibt die Rolle dennoch zu vage. Ich hätte mir konkretere Aufgabenfelder oder realistischere Erwartungen gewünscht. Für mich bleibt die Rolle schwer einzuordnen – auch wenn das für andere BewerberInnen durchaus ansprechend formuliert sein kann.

Nachtrag: Die Ausschreibung ist mir erstmals am 22. April 2025 aufgefallen – und heute (26.6.25) auch zwei Monate später noch online.
Creative Prompter: Viel Verantwortung ohne Ende?
Beim Weiterlesen zeigt sich, was die Rolle grundsätzlich umfassen soll: Zusammenarbeit mit Kreativ- und Strategieteams, das Testen neuer Tools, interne Schulungen und die Aufbereitung von Wissen. Das klingt zuerst nach einem spannenden, vielseitigen Aufgabenfeld, aber:
Was ist der inhaltliche Schwerpunkt? Wer gibt die Briefings? Gibt es direkte Vorgesetzte? Ist die Rolle ins Team eingebettet oder weitgehend eigenständig? Wer ist im Alltag Ansprechperson – und wer führt letztlich das MitarbeiterInnengespräch?
Mir ist natürlich klar, dass nicht alle Details in eine Stellenausschreibung passen. Deswegen würde ich mir bei einem Vorstellungsgespräch eine fundierte Einordnung erwarten: Was hat Priorität? Wie ist die Rolle organisatorisch eingebunden? Was wird regelmäßig verlangt – und was ist eher optional?
Schon ein einfaches Organigramm oder eine RACI-Matrix würden helfen, Zuständigkeiten und Schnittstellen transparent zu machen. Denn wenn eine Person gleichzeitig forschen, produzieren und schulen soll, braucht es klare Prioritäten und verbindliche Rahmenbedingungen – sonst wird aus Innovationsfreude schnell Überforderung.
Ich sehe da eine mögliche Diskrepanz zwischen der Gewichtung, die man selbst der Rolle geben würde – und dem, was kurzfristig von der Managementebene verlangt werden könnte. Das ist ein Nährboden für halbfertige Projekte, abrupte Prioritätswechsel – und am Ende fehlen verwertbare Ergebnisse für das MitarbeiterInnengespräch.

Die Darstellung steht sinnbildlich für die Vielzahl an Erwartungen, die an die Rolle eines*r Creative PrompterIn gestellt werden können – ohne klare Priorisierung. Wenn nicht definiert ist, was im Arbeitsalltag wirklich zählt, prallen unterschiedliche Vorstellungen aufeinander. Am Ende wird man niemandem gerecht – und hört womöglich Sätze wie: „Du bist ja der AI-Spezialist, du kannst da sicher was Schönes zaubern.“
Was dem Creative Prompter-Profil fehlt: Fokus und Alltagstauglichkeit
Mir fehlt ein klarer Fokus: Geht es um operative Zuarbeit für Kreativteams? Um interne Schulungen zu neuen Tools? Oder um Video-Editing für Pitches? Solche Schwerpunkte würden nicht nur BewerberInnen helfen, ihr Portfolio gezielt vorzubereiten – sie würden auch intern zur Klarheit beitragen.
Stattdessen wirkt die Ausschreibung eher wie ein Wunschzettel. Begriffe wie „Best Practices identifizieren“ klingen ambitioniert – gemeint ist vermutlich, dass man Goldideen ins Team einbringt.
Aber: Wer priorisiert? Wer bekommt die Credits? Und wer entscheidet über die Umsetzung? Auch der Punkt „Support für KollegInnen“ lässt mich stutzen – das klingt eher nach Ad-hoc-Hilfe oder IT-Hotline als nach einer strategisch verankerten Rolle.
Hilfreich wären stattdessen konkrete, realistische Aufgabenbeispiele, etwa:
- Du entwickelst KI-Moodboards für KundInnenpräsentationen.
- Du machst Video-Editing für Pitches.
- Du leitest einmal im Monat einen kurzen internen Workshop (30 Minuten).
- Du scoutest neue Tools und teilst deine Ergebnisse zwei Mal pro Monat im Team.
Damit das Aufgabenfeld nicht in alle Richtungen ausfranst, könnte man bestehende Rollen mit KI-Fokus gezielt weiterdenken – zum Beispiel:
- GrafikdesignerIn mit Midjourney-Erfahrung
- VideoeditorIn mit Runway-Skills
- ContentstrategIn mit GenAI-Schwerpunkt
- Interne KI-CoachIn
- TrendscoutIn & Workshopleitung (Schulungen & Best Cases)

Das Bild steht sinnbildlich für eine Situation, die viele in neuen KI-Rollen kennen: Creative DirectorInnen oder KollegInnen schauen einem beim Prompten über die Schulter – oft mit der Erwartung, dass sofort das perfekte Bild entsteht. Die Ausschreibung lässt offen, wie eigenständig die Rolle wirklich gedacht ist. Ohne klare Zuständigkeiten droht Micro-Management – und die Gefahr, dass man nicht als kreative Fachkraft, sondern nur als günstiger Ersatz für Stockbilder wahrgenommen wird.
Was ein Creative Prompter mitbringen muss
Die Anforderungen an BewerberInnen sind umfangreich – und ambitioniert:
Gefordert werden Kenntnisse in
- Adobe Creative Suite (InDesign, Illustrator, Photoshop),
- Final Cut oder DaVinci,
- Midjourney, DALL·E, ChatGPT, Runway,
- Kamera und Fotografie.
Dazu kommen 2–3 Jahre Berufserfahrung, eigenständige Einarbeitung in KI-Themen, didaktische Fähigkeiten für interne Workshops – und natürlich: Teamplayer-Qualitäten.
All das für ein Monatsgehalt von 2.700 Euro brutto. Das entspricht in etwa dem Gehalt eines fortgeschrittenen GrafikdesignerIn vor fünf Jahren – allerdings ohne KI-Verantwortung, ohne Schulungspflicht, ohne Tool-Scouting.
Der Satz am Ende der Anzeige – „Du bist motiviert und fühlst dich in diese Rolle hineingewachsen“ – wirkt fast wie ein stilles Eingeständnis, dass das Anforderungsprofil überzogen ist. Und doch wird das mögliche Scheitern auf die bewerbende Person zurückgespielt.
Das macht mich nachdenklich: Wer in eine neue Rolle mit unscharfen Grenzen einsteigt, braucht klare AnsprechpartnerInnen, strukturierte Feedbackprozesse und realistische Erwartungen – nicht die implizite Botschaft: „Mach mal.“
Was hier eigentlich gesucht wird, ist ein ganzes Inhouse-Kompetenzzentrum in einer Person. Und das ist – aus meiner Sicht – weder fair noch nachhaltig.

Was gesucht wird, ist eine eierlegende Wollmilchsau: Prompting, Editing, Schulung, Strategie. Dabei sind diese Disziplinen so unterschiedlich wie Kameraarbeit und Contentplanung.
Creative Prompter: Und wie geht’s weiter?
Für mich ist es schon bei einer Jobausschreibung wichtig zu wissen, wo sich das Ganze hinentwickeln könnte. Gerade bei neuen Rollen wie dieser sind Entwicklungsperspektiven ein zentraler Aspekt – aber die Anzeige bleibt hier auffallend still. Was ist eigentlich der Hauptfokus der Position? Contentproduktion? Tool-Testing? Interner Kompetenzaufbau? Nur wenn das klar benannt wird, lassen sich daraus sinnvolle Entwicklungspfade ableiten.
Wird aus dem Creative Prompter später eine Creative DirectorIn mit KI-Fokus? Eine strategische Schnittstelle zwischen Tech und Kreation? Oder vielleicht eine Teamleitung für ein internes KI-Kompetenzzentrum? Ohne solche Perspektiven bleibt die Rolle ein Versuchsballon – und das macht es schwer, sich längerfristig zu binden. Oder man macht den Job ein, zwei Jahre und zieht dann weiter.
Auch die Frage nach Erfolgskriterien bleibt unbeantwortet: Woran wird gemessen, ob jemand gute Arbeit leistet? An der Anzahl der Prompts? An der Präsentationswirkung? An der Zahl der durchgeführten Schulungen?
Je mehr Berufserfahrung ich sammle, desto wichtiger ist es mir, dass messbare Ziele und realistische Entwicklungsmöglichkeiten von Anfang an kommuniziert werden.
Conclusio
Das Positive zuerst: Es ist ein gutes Zeichen, dass eine KI-bezogene Rolle überhaupt explizit ausgeschrieben wird. Das zeigt, dass sich etwas bewegt – dass Agenturen beginnen, KI nicht nur im Hintergrund zu nutzen, sondern auch nach außen hin als Kompetenz sichtbar machen wollen.
Genau dafür braucht es aber mehr als ein Sammelsurium an Tools und Aufgaben. Es braucht Struktur. Eine Rolle wie die des Creative PrompterIn ist kein Wunschzettel – sie braucht ein klares Profil, mit Fokus, Rahmen und Perspektive. Nur so lässt sich Innovation im Team verankern, statt sie einzelnen Personen aufzubürden.
Genauso wichtig ist die nachhaltige Gestaltung solcher Positionen: mit realistischen Erwartungen, klaren Zuständigkeiten und echten Entwicklungsmöglichkeiten. Denn wer eine solche Rolle übernimmt, sollte nicht ausbrennen – sondern wachsen, gestalten und im besten Fall langfristig im Unternehmen bleiben wollen.
Die Zukunft solcher Positionen entscheidet sich nicht an der Zahl der genannten Tools – sondern daran, wie gut sie eingebettet sind, wie klar sie geführt werden und wie ernst man sie als Teil einer echten Transformation versteht.

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